Liese zum Pharma-Paket: Europa liefert Anreize zur Entwicklung neuer Antibiotika

10.04.2024

35.000 Menschen sterben jährlich in der EU an antibiotikaresistenten Keimen / Antibiotika-Einsatz künftig strenger reguliert / Anreize zur Innovation neuer Medikamente

Das Plenum hat sich heute zum Pharma-Paket positioniert. Dazu erklärt Peter Liese (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion:

„Wir müssen unbedingt handeln, damit weniger Menschen an antibiotikaresistenten Keimen sterben. Es ist ein Skandal, dass 35.000 Menschen jährlich - Tendenz steigend - in der Europäischen Union sterben, weil Antibiotika ihre Wirkung verlieren.

Dagegen gehen wir jetzt mit zwei wichtigen Ideen vor. Erstens, der Einsatz von Antibiotika soll strenger reguliert werden. In der Regel sollte vor der Verabreichung eines Antibiotikums eine Diagnostik erfolgen. Wenn dies nicht möglich ist, weil zum Beispiel ein Notfall vorliegt und die Diagnostik zu lange dauern würde, muss dies begründet werden. In vielen Praxen ist eine solche Diagnostik bis heute nicht der Fall. Dabei gibt es mittlerweile auch dank Unterstützung der Europäischen Union Schnelltests, die zumindest einen groben Hinweis geben. Diese Tests müssen stärker eingesetzt werden und vom Gesundheitssystem der Mitgliedstaaten auch finanziert werden.

Ein zweiter wichtiger Punkt ist ein Anreizsystem, um neue Antibiotika auf den Markt zu bringen. In den letzten Jahrzehnten gab es praktisch keine neuen Antibiotika. Dies liegt daran, dass aus gutem Grund neue Antibiotika sehr restriktiv eingesetzt werden. Sie gehören im Prinzip in den Panzerschrank. Wenn von einem Medikament allerdings nur wenige Verpackungen verkauft werden können, dann gibt es in der Regel keine Refinanzierung für die Kosten, die bis zu einer Milliarde Euro betragen können. Das Parlament unterstützt im Wesentlichen einen Vorschlag der Europäischen Kommission, der ein Gutschein-System vorsieht. Unternehmen, die ein neues Antibiotikum auf den Markt bringen, erhalten ein Voucher, das sie auch an andere Firmen verkaufen können. Das heißt, das Antibiotikum wird zwar nur in kleiner Stückzahl verkauft, aber andere Medikamente, die in größerer Stückzahl verkauft werden können, erhalten dann, wenn die Firma diesen Gutschein verkauft, ein Jahr länger Marktexklusivität. Das heißt, Generika kommen entsprechend später auf den Markt.

Ich bin sehr froh, dass sich der Vorschlag trotz Kritik der Mitgliedstaaten und von Kostenträgern durchgesetzt hat. All die Kritiker hatten kein überzeugendes Alternativkonzept, wie wir die 35.000 Menschenleben retten können. Selbst wenn wir Antibiotika ab morgen in Tiermedizin und Humanmedizin extrem restriktiv einsetzen, werden die Resistenzen nicht verschwinden und wir brauchen neue Antibiotika. Deswegen ist das Kostenargument nicht zielführend. Ich finde es ist nicht verantwortlich, den Angehörigen dieser vielen Toten in den nächsten Jahren zu sagen, ‘wir hätten zwar einen Vorschlag gehabt, aber es war uns zu teuer‘.“

Hintergrund:
Die Parlamentsposition sieht außerdem vor, den Einsatz von Antibiotika, wie dies in der Tiermedizin bereits geschieht, auch in der Humanmedizin in Zukunft zu überwachen. Aus dieser Überwachung sollen konkrete Hinweise für die Mitgliedstaaten erarbeitet werden. Weiterhin soll jedem Antibiotikum eine Awareness-Karte beigelegt werden. Damit wird Patientinnen und Patienten klar und eindeutig signalisiert, dass sie die Antibiotika nur einnehmen dürfen, wenn sie ihnen persönlich verschrieben wurden und dass sie auch die vorgeschlagene Dauer der Therapie unbedingt einhalten müssen, um Resistenzbildung zu vermeiden. Zudem soll europaweit festgeschrieben werden, dass Antibiotika in jedem Land verschreibungspflichtig sind. Dies war bisher nicht flächendeckend der Fall.

Für weitere Informationen:
Dr. Peter Liese MdEP, Tel. +32 228 45981