Keine Zulassungsbürokratie / Kontrollen nach Markteinführung / Beratungspflicht für Gentests / Votum EP-Gesundheitsausschuss
Medizinprodukte sollen in der EU in Zukunft stärker kontrolliert werden. Dies hat am Mittwoch der federführende Gesundheitsausschuss des EU-Parlaments beschlossen. Die Abgeordneten ziehen damit die notwendigen Konsequenzen aus dem Skandal um schadhafte Brustimplantate der französischen Firma PiP und ähnlichen Skandalen. PiP hatte nach der Zulassung der Implantate durch den deutschen TÜV statt hochwertigem medizinischem Silikon minderwertiges Industrie-Silikon benutzt. Vorschläge nach einer Vorabzulassung durch staatliche Behörden und einer zentralen Zulassung durch die Europäische Arzneimittel Agentur wurden aber abgelehnt. "Wir bekommen deutlich mehr Patientensicherheit. Gleichzeitig wird übertriebene Bürokratie verhindert", so der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion, Peter Liese (CDU).
Medizinprodukte sollen künftig auch nach der Markteinführung kontrolliert werde, etwa durch unangekündigte Kontrollen in den Betrieben geben. "Durch solche Kontrollen hätte der PiP-Skandal aufgedeckt werden können. Implantate sollen künftig rückverfolgbar sein und Patienten einen Implantatpass erhalten.
Die EVP-Fraktion und die Ausschussmehrheit lehnten die ursprünglichen Forderungen der sozialdemokratischen Berichterstatterin ab, ein System der staatlichen Vorabzulassung einzuführen. "Wir müssen an die wirklichen Wurzeln des Problems ran. Bei Medikamenten gibt es die Vorabzulassung, und trotzdem gibt es immer wieder Skandale. Außerdem gibt es jedes Jahr viele tausend neue Medizinprodukte, während die europäische Arzneimittel-Agentur nur weniger als 100 Medikamente pro Jahr prüft. Wir brauchen neue Medizinprodukte, um den Patienten besser helfen zu können. Deswegen darf das System nicht zu bürokratisch sein", so Liese.
Die Abgeordneten haben sich deshalb für Verbesserungen innerhalb des bestehenden Systems ausgesprochen. So genannte „benannte Stellen“, in Deutschland der TÜV oder die Dekra, die besonders riskante Produkte wie Herzschrittmacher prüfen wollen, müssen sich zukünftig einer verschärften Kontrolle und Zertifizierung durch die europäische Arzneimittel-Agentur stellen. Wenn bei Hochrisikoprodukten der Verdacht entsteht, dass nicht sorgfältig gearbeitet wurde, kann ein Expertenkomitee den Fall an sich ziehen und erneut beurteilen. "Wir führen damit ein Sicherheitsnetz ein - vergleichbar mit einem Sicherheitsgurt beim Autofahren. Jetzt müssen wir im Plenum noch mehr Praxistauglichkeit für die neue EU-Verordnung erreichen“, so Liese.
In einem zweiten Gesetzgebungsverfahren verabschiedete der Ausschuss heute zudem die Zulassung von diagnostischen Tests wie Blutzuckerstreifen, HIV-Tests und DNA-Tests. In diesem Bereich hat es die gleichen Probleme gegeben. So war nach Ansicht der zuständigen Institution in Deutschland (Paul-Ehrlich-Institut) über viele Jahre ein HIV-Test auf dem Markt, der häufiger als andere falsche negative Ergebnisse anzeigte. Das heißt, der HI-Virus war vorhanden, aber es wurde angezeigt, dass kein Virus vorhanden ist. Deswegen sollen hier zukünftig die gleichen Regeln zur Bekämpfung des Missbrauchs wie bei den Medizinprodukten gelten.
Außerdem soll europaweit eine Beratungspflicht für Gentests eingeführt werden. In Deutschland gilt seit einigen Jahren wie in einigen anderen EU-Ländern, dass bei Tests, die Krankheiten im späteren Leben vorhersagen oder bei vorgeburtlichen Tests, eine fachkundige Beratung stattfinden muss. "Leider gibt es nicht in allen europäischen Ländern Regeln zum Schutz der Patienten. Es ist aber sehr wichtig, dass DNA-Tests in einem geschützten Raum von fachkundigem Personal durchgeführt werden und eine entsprechende Beratung stattfindet. Diese Tests gehören nicht auf den Marktplatz", sagte der CDU-Europaabgeordnete.
Die Plenarabstimmung ist für den 22. Oktober geplant. Anschließend beginnen die Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten. Eine Einigung soll möglichst vor den Europawahlen im Mai kommenden Jahres erzielt werden.
Für weitere Informationen:
Dr. med. Peter Liese MdEP, Tel. +32 2 284 7981