Renate Sommer (EVP/CDU): EU-Parlament kritisiert Gewalteskalation in der Türkei

13.06.2013

Straßburg, 13.06.13 - Das Europäische Parlament hat heute scharfe Kritik an der Haltung des türkischen Premierministers Erdogan und am gewaltsamen Vorgehen der Polizei gegen die Demonstrationen in der Türkei geübt. Die Türkeiexpertin Dr. Renate Sommer (CDU,) begrüßt die klaren Worte als wichtiges Signal an die türkische Regierung:

"Die Proteste in der Türkei sind Ausdruck einer lange aufgestauten Wut. Die drastischen Einschränkungen der Meinungs- und Pressefreiheit, die schleichende Islamisierung, die sich zuletzt wieder mit der Verschärfung des Alkoholverbots gezeigt hat, sowie der autoritäre Führungsstil von Premierminister Erdogan haben Bürger aller Generationen Religionen und Gesellschaftsschichten auf die Straße getrieben.

Der Umgang mit den Protestierenden veranschaulicht mehr als deutlich das Demokratiedefizit in der Türkei. Obwohl das Recht auf friedliche Demonstrationen in der türkischen Verfassung verankert ist, hat Erdogan die Polizei zu einem harten Durchgreifen verpflichtet. Bisher gibt es fünf Todesopfer und zahlreiche Schwerst- und Schwerverletzte. Anstatt über die Proteste zu berichten, zeigt das Staatsfernsehen Tierfilme. Doch damit nicht genug: Ausländische Medien, die über die Demonstrationen berichtet haben, sollen jetzt auch noch bestraft werden. Der oberste Rundfunkrat erklärt, durch die Berichterstattung werde die körperliche, geistige und moralische Entwicklung von Kindern gefährdet. In einem Land, das die weltweit höchste Anzahl inhaftierter Journalisten aufweist, kommt diese Entscheidung zwar nicht überraschend. Sie verletzt aber ohne Zweifel europäische Grundrechte.

Anstatt versöhnliche Schritte einzuleiten und auf die Demonstranten zuzugehen, gießt Premierminister Erdogan immer wieder Öl ins Feuer. In bereits gewohnter Sultansmanier weist er alle Kritik von sich und beschimpft seine Kritiker als Extremisten, Vandalen und dumme Bauern. Mit der Drohung, seine Anhänger zu Gegendemonstrationen aufzurufen, riskiert Erdogan einen landesweiten Aufstand. Das ist brandgefährlich, denn eine politisch instabile Türkei kann keiner wollen. Mit dem neuesten Angebot, ein Referendum über die Bebauung des Gezi-Parks einzuberufen, lenkt Erdogan nur vordergründig ein: Dieser Istanbuler Park ist nicht von landesweitem Interesse, so dass das Referendum von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Damit würde Erdogan dann endgültig in seinem diktatorischen Führungsstil bestätigt, und genau das ist sicherlich der böse Hintergedanke seines unerwarteten Einlenkens.

Insgesamt zeigen die Entwicklungen, wie groß die Probleme in der Türkei immer noch sind. Zwar hatte das Land ein starkes Wirtschaftswachstum, allerdings auf Pump. Viele Bürger sind hoch verschuldet, und politische bzw. gar demokratische Reformen blieben auf der Strecke. Angesichts der anhaltenden Verletzung von Menschenrechten und Grundfreiheiten ist es nicht nachvollziehbar, dass Grüne und Sozialdemokraten im Europäischen Parlament die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel forderten. Das käme einer Bestätigung Erdogans gleich. Glücklicherweise konnten wir diesen Vorstoß verhindern. Die Europäische Kommission sollte die Entwicklungen vielmehr zum Anlass nehmen, die Beitrittsverhandlungen einzufrieren. Das ist die einzige Sprache, die Premierminister Erdogan versteht", erklärt Sommer abschließend.

Für weitere Informationen:
Renate Sommer MdEP Tel.: 0032-2-284-7383