Hohe Auflagen sollen BVD retten
Das Europäische Parlament sprach sich heute für eine zwangsweise Liberalisierung der Bodenverkehrsdienste an EU-Flughäfen aus.
"Ich bedaure die Zwangsmaßnahmen zur Öffnung eines funktionierenden Flugverkehrsmarktes ohne Gewähr für einen Mehrwert. Im Gegenteil: durch die Zunahme von "Schnittstellen" zwischen den Funktionsbereichen wächst die Gefahr von Reibungsverlusten. Qualität und Sicherheit können auf diese Weise nicht weiter verbessert werden. Außerdem kommt es zu einseitigen Benachteiligungen der Marktteilnehmer wie Flughäfen und der Bevorzugung von Drittanbietern. Ich erwarte Klagen vor dem EuGH wegen Ungleichbehandlung. Zurecht!", erklärt Dieter-Lebrecht Koch, stellvertretender Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Europäischen Parlament.
"Mit 444 gegen 255 Stimmen wurde heute eine weitreichende Bodenverkehrsdienste-Verordnung (BVD) vom Europäischen Parlament gebilligt. Im Dezember 2012 war sie noch von den Abgeordneten abgelehnt worden", sagte der Berichterstatter des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales, der hessische CDU-Europaabgeordnete Thomas Mann. "Damit haben sich die Befürworter einer weiteren Liberalisierung an den Flughäfen in Europa durchgesetzt. Nach einer Übergangsfrist muss es an Flughäfen mit mehr als 15 Millionen Passagieren oder 200.000 Tonnen Fracht drei BVD-Anbieter geben und zwar in den vier Sektoren Gepäckabfertigung, Fracht- und Postabfertigung, Vorfelddienste sowie Betankungsdienste. Schon die letzte Liberalisierung 1996 hatte die Löhne massiv gedrückt. Ich habe vehement gegen diese Turbo-Liberalisierung gekämpft!"
Mann weiter: "Einziger Lichtblick sind drei hohe Auflagen, die über den von mir verantworteten Bericht aus dem Beschäftigungsausschuss (EMPL) Einzug in die Verordnung gefunden haben und vom Plenum mit überwältigender Dreiviertelmehrheit verabschiedet wurden. Diese Auflagen umfassen eine Jobgarantie für BVD-Mitarbeiter beim Unternehmenswechsel und die verpflichtende Anwendung von Tarifverträgen (Artikel 12, Absatz 2) sowie Wettbewerbsbremsen im Fall von Sozialdumping (Artikel 40) und bei Mängeln in Aus- und Weiterbildung (Artikel 34, Absatz 1). Das Plenum hat sich somit im Ergebnis für mehr Liberalisierung entschieden, allerdings mit sehr hohen sozialen Hürden."
"Mit den drei Auflagen werden den Mitgliedstaaten weitreichende Möglichkeiten eingeräumt, den verschärften Wettbewerb mit drei Anbietern einzugrenzen. So sind die Regelungen für angemessenen Schutz vor Sozialdumping nicht näher spezifiziert, sondern liegen in ihrer Ausgestaltung in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Die Prüfungsmodalitäten gehören ebenso in ihre Hoheit wie die Entscheidung über die Aufhebung möglicher Beschränkungen der Anbieterzahl (Artikel 40). Das ist der Fallschirm, der die BVD vor dem Absturz ins Bodenlose retten kann", unterstrich Thomas Mann, Vizepräsident des Ausschusses für Beschäftigung und Soziales, abschließend.
HINTERGRUND:
Zu den drei Hürden vor überbordender Liberalisierung erläuterte Mann: "Im EMPL haben wir in Artikel 12 eine Verpflichtung für die Mitgliedstaaten festgeschrieben, die EU-Unternehmensübergangs-Richtlinie in den vier beschränkten BVD-Sektoren anzuwenden und zwar in verschärfter Form: Eine Kündigung aus wirtschaftlichen, technischen oder organisatorischen Gründen ist ausgeschlossen. Artikel 34 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten künftig verpflichtet sind zu prüfen, ob europaweite Mindeststandards für Aus- und Weiterbildung auf den nationalen Flughäfen eingehalten werden. Ist dieses nicht der Fall, müssen die Mitgliedstaaten die Lizenz für die betreffenden Dienstleister aussetzen, entziehen oder gar nicht erst gewähren, bis die erforderlichen Standards am jeweiligen Flughafen wieder erreicht werden (Artikel 34, Absatz 1).
"Gemäß Artikel 40 müssen die Mitgliedstaaten durch entsprechende Gesetze dafür sorgen, dass Beschäftigte von Unternehmen, die Drittabfertigungsdienste oder Selbstabfertigungsdienste erbringen, ein angemessenes Niveau an sozialer Sicherheit und menschenwürdige Arbeitsbedingungen genießen, die auch im Fall einer Unterauftragsvergabe sowie von Dienstleistungsaufträgen gewährleistet werden. Ist dieses nicht der Fall, müssen die Mitgliedstaaten ebenfalls die Lizenz für die betreffenden Dienstleister aussetzen, entziehen oder erst gar nicht gewähren."
"Damit wird den Mitgliedstaaten in Artikel 34 und 40 die Möglichkeit gegeben, die Liberalisierungs-Verpflichtung des TRAN in ihrer Realisierung einzugrenzen. Die Prüfungsmodalitäten liegen in ihrer Hoheit, ebenso wie die Entscheidung über die Aufhebung möglicher Beschränkungen der Anbieterzahl", sagte Mann abschließend.
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