Der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments hat in seiner Entschließung zum Fortschrittsbericht der Kommission über die Türkei den Reformwillen der türkischen Regierung in Frage gestellt. Im Mittelpunkt der Kritik steht die Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit. Auch die Verweigerung einer Kooperation mit der zypriotischen Ratspräsidentschaft im vergangenen Jahr bemängeln die Abgeordneten. Dennoch will man, dass weitere Verhandlungskapitel eröffnet werden.
"Die Sorge über die Situation in der Türkei hat wieder einmal Abgeordnete aus allen Fraktionen, Ausschüssen und Mitgliedstaaten zur Einreichung von insgesamt mehr als 400 Änderungsanträgen bewegt. Das zeigt, wie sehr uns die Rückschritte in dem Kandidatenland Kopfschmerzen bereiten, und es ist eine regelrechte Ohrfeige für Ministerpräsident Erdogan", erklärt Renate Sommer, Türkeiexpertin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.
"Insbesondere der Umgang der Türkei mit regierungskritischen Journalisten und mit friedlich demonstrierenden Studenten ist besorgniserregend. Die Angst vor Terror durch die PKK, aber auch die Sicherung des Machterhalts der regierenden AK-Partei und ihres Führers Erdogan haben zu einer Rechtssprechung geführt, die nun gegen jedwede Kritik an der Regierung missbraucht wird. Das führt dazu, dass die Türkei die höchste Anzahl inhaftierter Journalisten in der Welt aufweist und 3.000 Studenten unter Terrorismusverdacht stehen. Dies kommt einem Maulkorb für die gesamte Nation gleich", so Sommer.
Auch die Unterdrückung religiöser Minderheiten kritisiert der Auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments. Zwar gibt es punktuell Verbesserungen. Aber diese haben eher einen Showeffekt. Im Grunde genommen hat sich nichts geändert. Die Tatsache, dass die türkische Regierung selbst die muslimische Minderheit der Aleviten diskriminiert und die Enteignung des syrisch-orthodoxen Klosters Mor Gabriel nicht nur zugelassen, sondern offensichtlich auch vorangetrieben hat, lassen jedwede Hoffnung auf eine endgültige Kehrtwende im Keim ersticken.
"Den Höhepunkt des Konfrontationskurses hat die Türkei aber mit ihrer Politik gegenüber Zypern vollzogen. Mit der Entscheidung, sich während der zyprischen Ratspräsidentschaft, Treffen und Kontakten mit dem Ministerrat zu entziehen, hat die türkische Regierung einen Tabubruch vollzogen, der gegen die Grundpfeiler des institutionellen Verhandlungsrahmens verstößt. Die Abgeordneten des Auswärtigen Ausschusses kritisieren dieses Verhalten zwar. Eine Konsequenz will aber offenbar niemand daraus ziehen. Im Gegenteil. Um die türkische Regierung 'am Ball zu halten', sprach sich eine Mehrheit der Abgeordneten für die Eröffnung weiterer Verhandlungskapitel aus. Diese Entscheidung wird Premierminister Erdogan als Freibrief sehen. Ich hoffe, dass dieser Punkt in der Plenarabstimmung im Mai korrigiert wird", sagte die CDU-Europaabgeordnete.
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