Hoch her ging es gestern im zuständigen ENVI-Ausschuss des Europäischen Parlaments (EP), der sich mit dem Pferdefleisch-Skandal befasste. Die Expertin für Lebensmittelsicherheit und Parlamentsberichterstatterin für die Lebensmittel-Informationsverordnung, Renate Sommer (CDU), warnte vor blindem Aktionismus und sieht in erster Linie die Mitgliedstaaten in der Pflicht:
"Es ist völlig klar, dass der Pferdefleisch-Skandal auf Betrug zurückzuführen ist. Es handelt sich also um die Missachtung bestehender Gesetze und damit um eine Straftat. Keine Kennzeichnungsregelung hätte dies verhindern können.
Daher ist es eher Augenwischerei, wenn jetzt die Mitgliedstaaten eine möglichst schnelle europäische Gesetzesvorlage zur Herkunftskennzeichnung von Fleisch in verarbeiteten Produkten fordern. Fakt ist nämlich, dass eben dieser Ministerrat während der äußerst schwierigen Verhandlungen über die Lebensmittel-Informationsverordnung gegen jegliche Herkunftskennzeichnung für Fleisch eintrat. Die Parlamentsmehrheit hatte sich jedoch für eine solche Kennzeichnung ausgesprochen, und zwar nicht nur für Frischfleisch von Schwein, Geflügel, Schaf und Ziege, sondern auch grundsätzlich für die Herkunftsangabe für Fleisch in verarbeiteten Produkten.
Sicher: Die Forderungen des EP gingen zu weit, denn eine dreistufige Herkunftsangabe (Ort der Geburt, der Haltung und der Schlachtung) wäre schwierig, enorm bürokratisch und teuer, weswegen ich selbst auch immer eine praxisnähere Lösung angemahnt hatte. Und tatsächlich hatte diese sehr weitgehende Kennzeichnungsforderung auch massive protektionistische Hintergründe, war also zumindest bedenklich mit dem Blick auf den gemeinsamen Binnenmarkt. Letztendlich wurde die Frischfleisch-Kennzeichnung im Prinzip beschlossen, und es gab hierfür genauso wie für verarbeitetes Fleisch einen Prüfauftrag zur Machbarkeit an die Europäische Kommission, die bis zum Jahresende Ergebnisse vorlegen soll.
Dass nun der Ministerrat wegen des Pferdefleisch-Skandals eine beschleunigte Prüfung bis zum Sommer dieses Jahres fordern, wird der Sache aber nicht gerecht. Dies läuft letztendlich auf eine Anlass-Gesetzgebung unter Vernachlässigung der praktischen Machbarkeit hinaus, ohne das Betrugsproblem im Lebensmittelbereich zu lösen.
Tatsächlich können dies nur die Mitgliedstaaten durch bessere Kontrollen und härtere Strafen für Kriminelle im Lebensmittelsektor. Verursacherbetriebe müssen öffentlich genannt oder auch geschlossen werden, und nicht Geldstrafen, sondern langjährige Haftstrafen sind gefragt."
Für weitere Informationen:
Dr. Renate Sommer MdEP, Tel. +32 2 284 7383