Brüssel, 16.11.12 - Dr. Renate Sommer, Diplom-Agraringenieurin und Europaabgeordnete für das Ruhrgebiet, kritisiert Ansätze im Europäischen Parlament, die veraltete Zuckerquote in der EU zu verlängern. Im Agrarausschuss zeichnet sich ab, dass offenbar zahlreiche Parlamentarier das Auslaufen der Zuckerquote verhindern wollen. Dabei sei eine Fortführung der Quote wettbewerbsverzerrend und vernichte schon jetzt in kleinen und mittelständischen Unternehmen des Lebensmittelsektors Arbeitsplätze.
"Die Zeiten haben sich geändert. Viele Regelungen, die irgendwann einmal zur Einkommenssicherung von Betrieben getroffen wurden, sind heute völlig veraltet und damit überflüssig. Dazu gehört auch die Zuckerquote. Angesichts der weltweit enorm gestiegenen Nachfrage nach Zucker ist es längst nicht mehr nötig, die heimische Zuckerproduktion zu reglementieren. Im Gegenteil: Wir haben mittlerweile viel zu wenig Zucker in der EU und sind auf teure Importe angewiesen", erklärt Sommer.
Auf Druck der Welthandelsorganisation hatte die Europäische Kommission im Jahr 2006 entschieden, dass nur noch 85 Prozent des europäischen Zuckerbedarfs aus eigener Erzeugung kommen dürfen. Mit dem Import der Restmenge sollten Zuckerhersteller in Entwicklungsländern gefördert werden.
"Diese Rechnung ist aber nicht aufgegangen", erklärt Sommer. "Wegen der hohen Nachfrage verkaufen die ausländischen Hersteller den Zucker gewinnbringender auf dem asiatischen Markt. Selbst Produzenten aus der EU kündigen heimische Lieferverträge und verkaufen den Zucker stattdessen auf dem Weltmarkt. Das Ergebnis ist eine massive Zuckerverknappung in der EU mit Preissteigerungen von bis zu 50 Prozent."
Von dieser Preisexplosion seien insbesondere kleine und mittelständische Lebensmittelhersteller betroffen, von der Obst-, Gemüse- und Kartoffelverarbeitenden Wirtschaft über Getränkehersteller und Bäckereien bis zu den Süßwarenproduzenten. Die Herstellung der Lebensmittel verteuere sich erheblich, aber der monopolistisch geführte Einzelhandel weigere sich, höhere Herstellerpreise zu akzeptieren und auf die Verbraucherpreise umzulegen.
"Natürlich sind steigende Verbraucherpreise auch nicht in unserem Interesse. Es kann aber nicht sein, dass die Zuckerfabriken das Geschäft ihres Lebens machen, während Lebensmittelhersteller wegen des explodierenden Rohstoffpreises immer mehr Arbeitskräfte entlassen und schließlich das Licht ausmachen müssen. Das Betriebssterben hat bereits begonnen", so Sommer.
Eine Studie, die vom zuständigen Bundesministerium in Auftrag gegeben wurde, komme übrigens zu dem Ergebnis, dass die Abschaffung der Zuckerquote kaum Auswirkungen auf das Einkommen in der Landwirtschaft hätte.
"Die Warnung der landwirtschaftlichen Interessensvertreter und der Zuckerfabriken vor weitreichenden Verlusten ist deshalb Jammern auf hohem Niveau. Die Ernährungsindustrie dagegen ist der größte Arbeitgeber in der EU. Sie ist zu etwa 80 Prozent durch kleine und mittelständische Betriebe geprägt. Den Verlust einer Vielzahl dieser Arbeitsplätze wegen der Beibehaltung der Zuckerquote können wir uns gerade in Zeiten der Krise schlichtweg nicht leisten", erklärt Sommer abschließend.