Europaparlament fordert türkische Regierung zum Handeln auf / Häusliche Gewalt, Zwangsehen und Ehrenmorde / Gesellschaftlicher Sinneswandel nötig
Das Europäische Parlament hat die türkische Regierung zur Verbesserung der Situation der Frauen in der Türkei aufgefordert. Die Abgeordneten kritisieren insbesondere die hohe Zahl häuslicher Gewaltdelikte, Zwangsehen und Ehrenmorde. Auch bei der Beteiligung von Frauen in Politik und Wirtschaft liegt die Türkei weit zurück. "Damit wird das EU-Kandidatenland Türkei den Ansprüchen an eine Demokratie nicht gerecht", sagte die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer.
"Die Gleichstellung von Mann und Frau ist ein Gradmesser für den Entwicklungsstand einer Gesellschaft. Der Umgang mit Frauen in der Türkei aber belegt in bedrückender Weise, wie sich das Land zurückentwickelt. Die Verbesserung der Situation der Frauen, etwa durch neue Gesetze, findet nur auf dem Papier statt. Die Lebenswirklichkeit zeigt die ganze Wahrheit", so Sommer.
Die Entschließung kritisiert insbesondere häusliche Gewalt gegen Frauen. Jede zweite Frau wird von ihrem Ehemann geschlagen oder vergewaltigt. Zwar können Frauen ihre gewalttätigen Ehemänner anzeigen. Dennoch werden derartige Vergehen meist als Kavaliersdelikte behandelt, und die Frauen müssen nach einer Anzeige zu ihren Männern zurückkehren. "Das Gesetz gilt nicht für Frauen, die eine staatlich geduldete Imamehe eingegangen sind, in der Regel auf Druck ihrer Familien. Das Parlament fordert, Vergewaltigung in der Ehe und Zwangsverheiratungen endlich grundsätzlich unter Strafe zu stellen", sagte die CDU-Europaparlamentarierin.
"Die fehlende Umsetzung bestehender Gesetze zeigt, dass sich ein Sinneswandel in der türkischen Gesellschaft vollziehen muss. Das kann aber nicht gelingen, solange der Großteil der Frauen vom politischen und wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen ist. In einem Land, in dem nur 24 Prozent der Frauen erwerbstätig sind und nur ein Prozent der Gemeinden eine Bürgermeisterin haben, fehlt es einfach an Vorbildern. Selbst in Afghanistan gibt es mehr weibliche Parlamentarier als in der Türkei", so Sommer.
"Gezielt trägt die türkische Regierung durch die schleichende Islamisierung des Landes zu den Rückschritten bei. Unter dem Deckmantel der Religionsfreiheit versucht die AKP-Regierung, das Kopftuchverbot in öffentlichen Räumen auszuhebeln. So entsteht letztendlich gesellschaftlicher Druck auch auf diejenigen, die kein Kopftuch tragen wollen. Die neueste Bildungsreform erlaubt es bereits Fünftklässlern, das Kopftuch zu tragen. Freiwillig ist solch eine Entscheidung in diesem Alter kaum", sagte Sommer.
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