Der auswärtige Ausschuss des Europäischen Parlaments hat in seiner Entschließung zum Fortschrittsbericht der Kommission über die Türkei scharfe Kritik am Reformstillstand in dem EU-Kandidatenland geübt. Insbesondere die Inhaftierung zahlreicher Journalisten wurde von Abgeordneten aller Fraktionen gerügt. Auch die andauernde Diskriminierung religiöser Minderheiten und die feindselige Rhetorik gegenüber dem EU-Mitglied Zypern wird in der Entschließung thematisiert.
Dazu erkärte die CDU-Europaabgeordnete Renate Sommer, Mitglied in der gemischtparlamentarischen Delegation EU-Türkei:
"Die Zahl von mehr als 400 Änderungsanträgen zeigt, wie sehr die politische Lage in der Türkei den Abgeordneten unter den Nägeln brennt. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass sich in einem Land, das als Demokratie gilt und der EU beitreten will, mehr als 1000 Journalisten wegen kritischer Berichterstattung vor Gerichten verantworten müssen. Die Meinungs- und Pressefreiheit sind Grundpfeiler der Demokratie. Wir dürfen eine solche Situation nicht akzeptieren.
Auch die völlig willkürliche Anwendung des Anti-Terror-Gesetzes, durch das selbst friedliche Demonstranten als Terroristen abgestempelt und in viel zu lange Untersuchungshaft genommen werden, ist einer Demokratie nicht würdig. Hier muss die türkische Regierung dringend tätig werden und die Auslegung dieses Gesetzes wieder an das eigentliche Ziel anpassen.
Insgesamt kann man seit Jahren nur noch einen Stillstand in den Reformbemühungen feststellen. Die Ankündigung der Europäischen Kommission, die Verhandlungen nun durch eine "positive Agenda" wieder in die richtige Bahn zu lenken, ist nichts anderes als eine Verzweiflungstat. Erweiterungskommissar Stefan Füle will sein Scheitern schlichtweg nicht eingestehen.
Natürlich gibt es bei aller Kritik keinen Zweifel daran, dass die Türkei ein wichtiger Nachbar der EU ist. Auch die wirtschaftliche Entwicklung am Bosporus ist nicht zu verachten. Diese positiven Entwicklungen dürfen uns aber nicht dazu verleiten, vor den schwerwiegenden politischen und sozialen Problemen in der Türkei die Augen zu verschließen. Der kritische Grundtenor der Entschließung ist deshalb wichtig, um ein klares Signal and die türkische Regierung zu senden. Sollte Premierminister Erdogan dennoch seine Androhung wahr machen, unter der zypriotischen Ratspräsidentschaft nicht mehr mit der EU verhandeln zu wollen, bleibt nur eine Konsequenz: Die endgültige Einstellung der Beitrittsverhandlungen."
Für weitere Informationen:
Dr. Renate Sommer MdEP, Tel. +32 2 284 7383