Renate Sommer (EVP/CDU): Türkei enteignet Kloster in Scheinprozess

27.01.2011

Entscheidung
des obersten Gerichtshofs / Großteil des Grundbesitzes muss abgetreten werden / Politischer
Druck der regierenden AK-Partei

An der
Enteignung des aramäischen Klosters Mor Gabriel im Südosten der Türkei gibt es
scharfe Kritik aus dem Europaparlament. Der oberste Gerichtshof in Ankara hat
dem Kloster in seinem gestrigen Urteil große Teile seines Landes entzogen,
obwohl die Eigentumsverhältnisse eindeutig dokumentiert sind. Das Urteil ist
nicht nur ein herber Rückschlag für das Kloster, sondern auch eine große
Bedrohung für die gesamte aramäische Gemeinde in der Türkei.

"Die Urteilsbegründung zeigt endgültig, dass es sich
bei dem jahrlangen Prozess um das Kloster Mor Gabriel um einen Scheinprozess
handelt. Das Gericht in Ankara behauptet, die aramäische Gemeinde habe sich
Grund und Boden rechtswidrig angeeignet. Einige Kläger behaupteten, das Kloster
sei über einer früheren Moschee gebaut worden. Dabei ist das Kloster mehr als
1.600 Jahre alt und wurde somit lange vor der Existenz des Islam gebaut.
Außerdem zahlt Mor Gabriel für seinen Landbesitz seit 1937 Grundbesitzabgaben
an den türkischen Staat. Das allein dokumentiert schon die
Eigentumsverhältnisse, sagte die
CDU-Europaabgeordnete und Türkeiexpertin Renate Sommer. 

Das Kloster Mor Gabriel steht seit Jahrzehnten im Fadenkreuz
nationalistischer und religiöser Fanatiker. Seit den 90-er Jahren werden
aramäische Dorfvorsteher, Ärzte und Anwälte gedrängt, das Land zu verlassen.
Viele haben den Widerstand mit dem Leben bezahlt. "Das Kloster Mor Gabriel
weigert sich, Schutzgeld an Muslime in der Nachbarschaft zu zahlen. Die Anklage
durch benachbarte Bürgermeister ist ganz offensichtlich die Quittung
dafür", so Sommer.

"Leider erhalten diese Fanatiker Unterstützung durch
die Staatsregierung, die dem Kloster seit Jahrzehnten Steine in den Weg legt.
Seit 1980 ist die Ausbildung von Priestern untersagt. Die regierende AK-Partei
unterstützte darüber hinaus die Kläger. Mit der ständigen Verschiebung des
Gerichtsurteils hat die türkische Regierung in den vergangenen Jahren eine
Zermürbungstaktik verfolgt, mit der Aramäer zur Abwanderung bewegt werden
sollten. Mit dem Urteil dürfte nun auch das Schicksal der verbliebenen 3.000
Aramäer besiegelt sein - sie haben keine Zukunft in der Region."

Auf den in der türkischen Verfassung festgeschriebenen
Schutz religiöser Minderheiten können sich die Aramäer nicht berufen. Nur
griechisch-orthodoxe und armenische Christen sind als Minderheiten anerkannt.
Dennoch ist die Enteignung auch ein Schlag ins Gesicht anderer christlicher
Gemeinden. Seit den 30er Jahren sehen sie sich mit Enteignungen und dem Verbot
des Kirchenbaus konfrontiert. Gottesdienste dürfen nur mit Vorabgenehmigung
abgehalten werden. Das neue Stiftungsgestz ändert daran so gut wie nichts.

"Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass die
türkische Regierung ganz offensichtlich versucht, das Land von christlichem
Einfluss zu "reinigen". Auch die schleichende Islamisierung des
Landes (Alkoholverbote, zunehmende Aktivitäten zur Geschlechtertrennung,
Lockerung des Kopftuchverbotes etc.) weist darauf hin. Es ist eine Schande,
dass die Türkei ausgerechnet im Zuge ihres EU-Prozesses die Religionsfreiheit
mit Füßen tritt. Europa darf nicht länger zusehen. Die EU muss endlich
handeln", sagte die CDU-Europaabgeordnete.

Für weitere
Informationen:

Dr. Renate Sommer MEP, Tel. +32 2 284 7383