Nach
dem Jahr der Kulturhauptstadt staatliche Verordnung zum Alkoholverkauf
Die liberale türkische Presse zeigt sich besorgt
über neue, nach Auffassung der Kommentatoren ideologisch begründete Verbots-
und Verhaltensregeln: Eine neue Verordnung zu Alkohol, erlassen von der
staatlichen Regulierungsbehörde, öffnet nach Einschätzung türkischer Juristen
der Beliebigkeit Tür und Tor. Wenige Tage zuvor erließ eine Oberschule in
Mersin Regeln für einen Mindestabstand zwischen Jungen und Mädchen von 45
Zentimertern.
Eine
neue staatliche Durchführungsverordnung über den Verkauf alkoholischer
Erzeugnisse erregt die laizistischen Gemüter in der Türkei: Verboten wird das
Servieren alkoholischer Getränke in Besprechungen und Sitzungen, in
"Restaurants am Straßenrand" sowie in Strandbars und -restaurants,
die nicht innerhalb von Städten liegen. Werbung für Alkohol - sei es auf
Plakaten oder in Anzeigen - ist jetzt genauso untersagt wie die Präsentation in
Schaufenstern. Sogar die gerade zu Neujahr beliebten Geschenkkörbe dürfen nicht
mehr mit alkoholhaltigen Getränken bestückt werden.
Die
Türkei-Expertin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Renate Sommer,
dazu: "Schon mehrfach gab es Versuche des türkischen Ministerpräsidenten
Erdogan, Alkohol grundsätzlich aus dem öffentlichen Leben zu verbannen. Dies
ist zwar längst nicht flächendeckend gelungen, aber immerhin findet man längst
in einer Reihe kleiner Gemeinden und sogar in einigen Teilen Istanbuls noch
nicht einmal mehr ein Bier. Offenbar handelt es sich nun um eine Politik der
kleinen Schritte. Zwar beinhaltet die neue Verordnung kein gesetzliches Verbot;
aber mittlerweile befürchtet selbst die türkische Presse, dass sich
längerfristig die Ächtung von Alkohol durchsetzen wird, weil der Islam seinen
Genuss verbietet." Das erklärt auch, warum nun der Alkoholkonsum bis zum
Alter von 24 Jahren verboten ist, und warum bei kulturellen, sozialen oder
Sportveranstaltungen keinerlei Alkohol mehr zu sehen sein oder getrunken werden
darf. Sommer: "Interessanterweise wurde diese neue Regelung erst nach
Abschluss des Kulturhauptstadtjahres erlassen. Offenbar wollte man die europäische
Öffentlichkeit nicht aufschrecken. Schließlich ist auch Alkohol ein Teil der
europäischen Kultur."
In
die gleiche Richtung geht ein neuer Anlauf zur Geschlechtertrennung: Eine
Oberschule in Mersin hat ihren Schülerinnen und Schülern nun einen Mindestkörper-abstand
von 45 Zentimetern befohlen, nachdem dort schon
getrenntgeschlechtliche Eingänge und
Pausenräume eingeführt sind. Sommer: "Dieses Beispiel wird sicher Schule
machen. Atatürk muss sich im Grabe umdrehen. 88 Jahre nach der
Staats-gründung wird seine Europäisierung der Türkei durch die Hintertür
zurückgeführt."
Für
weitere Informationen:
Dr. Renate Sommer MdEP, Tel. +32 2 284 7383