Renate Sommer (EVP/CDU): EU-Türkei: Beitrittsgespräche geraten in Teufelskreis

09.11.2010

Zum
Bericht der Europäischen Kommission über die Fortschritte der Türkei sagt die CDU-Europaabgeordnete
und Mitglied in der Türkei-Delegation, Renate Sommer:

"Die
Beitrittsverhandlungen gleichen einem Teufelskreis. Die Kommission macht
alljährlich gute Miene zur türkischen Verweigerung gegenüber den EU-Forderungen
nach Reformen und lässt die Verhandlungen weiterlaufen. Die Türkei fühlt sich
dadurch in ihrer Politik bestätigt. Das Ergebnis: Nach fünf  Jahren Verhandlungen ist erst ein
Verhandlungskapitel abgeschlossen.

Unter
dem Reformstillstand leiden vor allem die Menschen in der Türkei: Frauen gelten
noch immer als niederes Geschlecht und müssen Gewalt und Zwangsverheiratungen
ertragen. Religiöse Minderheiten werden durch Diskriminierung und die gezielte
Hinhaltetaktik der Regierenden in Eigentumsfragen mürbe gemacht und so zur
Auswanderung bewegt. Die Meinungs- und Pressefreiheit unterliegt größten
Einschränkungen: Die ständig wachsende Zahl der Inhaftierungen und
Verurteilungen von Journalisten wirkt wie ein unsichtbarer Maulkorb. Viele
kritische Journalisten sitzen seit Monaten und Jahren ohne rechtskräftige
Verurteilung in Gefängnissen. Allein schon das Ausmaß der Strafandrohungen
lässt auch die mutigsten Kritiker verstummen. So wurde einem kurdischen
Journalisten eine Haftstrafe von 552 Jahren angedroht.

So
enttäuschend das Resümee der EU-Kommission aber auch sein mag:
Der Fortschrittsbericht entlarvt, dass die vollmundigen Versprechen der
türkischen Regierung gegenüber der EU reine Makulatur sind. Die angekündigte
Öffnung gegenüber den Kurden läuft ins Leere. Die im Oktober verabschiedete
Verfassungsreform ist unzureichend und birgt die Gefahr, dass die angekündigte
Verabschiedung einer gänzlich neuen, zivilen Verfassung nach EU-Standards
ausbleiben wird. Selbst in der vielfach gelobten Außenpolitik rückt Ankara
zunehmend von der stolz verkündeten Rolle als Vermittler zwischen Ost und West
ab und befremdet die Partner durch eigenmächtige Aktionen. Das Veto gegen die
Iran-Sanktionen des Westens, der Streit mit Israel und die ohne jegliche
Rücksprache mit der EU erteilten Visa-Erleichterungen für Syrien und Libyen
sind nur einige Beispiele.

Die
Ankündigung der Kommission, wenigstens keine neuen Verhandlungskapitel eröffnen
zu wollen, ist zwar lobenswert, aber völlig unzureichend. Die Fortführung der
Verhandlungen zieht uns immer tiefer in eine Abwärtsspirale und macht die  Beitrittsverhandlungen als Reformkatalysator
auch für andere Länder unglaubwürdig. Es ist längst an der Zeit, klare
Konsequenzen zu ziehen und ernsthaft über Alternativen zu einer
EU-Mitgliedschaft der Türkei zu diskutieren."

Für weitere Informationen:
Dr.
Renate Sommer MdEP, Tel. +32 2 284 7383