Martin Kastler (EVP/CSU): Keine Blankoschecks für Schreckregime!

05.11.2010

Entwicklungspolitischer Sprecher warnt vor Missbrauch der Budgethilfe / "Es geht insgesamt um Milliardenbeträge"

"Europa braucht eine effiziente Entwicklungspolitik, die uns hilft, weltweit Standards einer nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft zu etablieren. Das gelingt nur in enger Kooperation mit der Zivilgesellschaft und konkreter Projektfinanzierung. Eine milliardenschwere und schlecht kontrollierbare Budgethilfe an Regimes ist kontraproduktiv. Sie geht auf Kosten wertvoller Initiativen vor Ort - und viel zu oft vorbei an den Menschen", so der Europaabgeordnete Martin Kastler, Entwicklungspolitischer Sprecher der CSU-Europagruppe. Das Ende Oktober von der Kommission vorgelegte Grünbuch zur Budgethilfe (KOM 2010/586) müsse deshalb ernsthaft "einen Paradigmenwechsel einleiten"

Fast ein Viertel aller Entwicklungsleistungen habe die EU-Kommission in den vergangenen sechs Jahren über die "Budgethilfe" an fremde Regierungen abgewickelt - "immerhin 13 Milliarden Euro", so Kastler, "die auf diesem Weg ohne detaillierte Rechenschaftspflichten in Entwicklungs- und Schwellenländer liefen." Diese Summen zeigten, "dass Entwicklungspolitik kein Randthema ist - sondern ganz konkrete, milliardenschwere Außen-, Sicherheits- und Wirtschaftspolitik der Europäischen Union."

Kastler unterstützt deshalb grundsätzlich die Position des deutschen Entwicklungsministers Dirk Niebel, der die Budgethilfe gegenüber dem Nachrichtenmagazin Spiegel kritisiert und bessere Kontrollmechanismen sowie mehr Effizienz gefordert hatte. " Es wird höchste Zeit, das offen anzusprechen - ein Grünbuch bietet dafür die Gelegenheit. Die EU ist heute weit entfernt davon, das für 2015 gesteckte Ziel von 0,7 Prozent des BIP für den Entwicklungsetat zu erreichen", so Kastler. "Verschwendung und Missmanagement können wir uns auf keinen Fall leisten." Genau das drohe aber, wenn die EU und ihre Mitgliedsstaaten sich weiter aus der projektbezogenen Förderung zurückzögen und auf das Instrument der Budgethilfe setzten. "Nur schnell Geld ausgeben, nur Mittelabfluss zur Erreichung der Millennium Development Goals (MDG) ohne umfassendes Wirkungsmonitoring - das ist der falsche Weg!"

Gespannt, so Kastler, sei er auf den dritten Bericht des Europäischen Rechnungshofes zur Budgethilfe, den das Kontrollorgan bis Ende des Jahres vorlegen wolle. "Klar ist, hier fließen Milliardenbeträge an Regierungen - teils zwielichtige Regime der Dritten Welt - ohne ausreichende Kontrolle. Es kann doch nicht sein, dass wir EU-intern - etwa in der Regionalförderung - überbordende Berichtspflichten bei Förderprojekten haben, in der Entwicklungsförderung aber nahezu keinen detaillierten Verwendungsnachweis von fremden Regierungen verlangen", so Kastler weiter. Das sei "schlicht nachlässig" und habe mit "Eigenverantwortung der Nehmerländer" nichts zu tun.

Sein Gegenvorschlag geht deshalb auch über die kritische Position Niebels und die Feststellungen des vorgelegten Grünbuches hinaus: "Wir brauchen nicht nur stärkere Kriterien für die Budgethilfe. Wir brauchen eine zunehmende Abkehr von diesem Instrument. Wir brauchen einen Paradigmenwechsel in der Entwicklungspolitik. Das fordert Kreativität: Ich erwarte von der Kommission die enge Zusammenarbeit mit Kirchen, Verbänden, Stiftungen und anderen NGOs. Sie sind seit Jahrzehnten erfolgreich und kennen die Not vor Ort manchmal wahrscheinlich besser als so manche Regierung. Ihr Tun wirkt im Kleinen und direkt bei den Menschen. Diesen Erfolgsweg sollten wir weiter gehen."

So fordert Kastler Bürger und betroffene Verbände auf, sich am Konsultationsverfahren der EU-Kommission zu beteiligen und das Grünbuch zur Budgethilfe aus ihrer Sicht zu bewerten. Gelegenheit dazu bestehe noch bis Ende Dezember online unter http://ec.europa.eu/development/how/consultation/index.cfm?action=viewcons&id=5221&lng=en

Als Mitglied der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU reist Kastler Anfang Dezember zu deren Sitzung nach Kinshasa/Kongo. Auch im dortigen Plenum, so der entwicklungspolitische Sprecher, werde er sich stark machen für eine Abkehr von der Praxis der Budgethilfe. Europa, so Kastler, "ist als global player nur glaubwürdig, wenn wir unsere Entwicklungspolitik klar am Wirkungsprinzip ausrichten. Wir fördern Menschen - nicht Regimes. Entwicklungspolitik braucht qualitative Ziele. Nur so kann die europäische Entwicklungspolitik nachhaltig ihrem Auftrag der globalen Solidarität und der Hilfe zur Selbsthilfe nachkommen. Nur so bauen wir global mit an einer Nachhaltigen Sozialen Marktwirtschaft".

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Tel. +32 - 2 28 45538