Brüssel, 27.10.10 -
Der türkische Minister für EU-Angelegenheiten, Egemin Bagis, hat für einen
Eklat in der Sitzung des gemischten parlamentarischen Ausschusses EU-Türkei
gesorgt. Seine Verleugnung der Existenz des EU-Mitglieds Zyperns
veranlasste zahlreiche Europaabgeordnete
dazu, die Sitzung unter Protest zu verlassen. Auch Äußerungen zur Presse- und Meinungsfreiheit
schüren die Zweifel an der Europatauglichkeit der Türkei.
Hierzu äußert sich
die Türkei-Expertin und Europaabgeordnete für das Ruhrgebiet, Dr. Renate
Sommer, wie folgt:
"Die
Bemerkungen zum völkerrechtlichen Status Zyperns sind ein Affront. Obwohl die
Anerkennung dieses EU-Mitgliedsstaates und die Beendigung der militärischen
Besetzung des Nordteils durch die türkische Armee Grundvoraussetzungen für
einen EU-Beitritt sind, und die Europäische Kommission als Sanktionsmaßnahme bereits
zahlreiche Verhandlungskapitel
eingefroren hat, gibt die Türkei sich stur. Bagis versuchte nicht einmal
die Wogen zu glätten, sondern streute durch die Betonung eines
Zweistaaten-Systems bewusst Salz in die Wunde. Es ist schon bezeichnend wenn
selbst der Erweiterungskommissar, seines Zeichens ein Fürsprecher der Türkei,
interveniert und einen türkischen Minister korrigiert.
Auch
in anderen Punkten war der Auftritt von Bagis von Arroganz geprägt. Immer
wieder forderten er und die türkischen Abgeordneten die Aufhebung der
Visabeschränkungen von EU-Ländern für türkische Reisende. Dabei hat der
Hilferuf Griechenlands nach Unterstützung für die Sicherung der Grenzen zur
Türkei gerade erst gezeigt, wie groß die Gefahr der illegalen Einwanderung über
die Türkei ist. Das gilt umso mehr, seit die türkische Regierung die
Visabedingungen für benachbarte Problemstaaten wie Syrien erleichtert hat.
Solange die Türkei nicht die bestehenden Rücknahmeabkommen für illegale
Einwanderer mit allen EU-Staaten umgesetzt hat, kann es also keine
Visaerleichterungen geben.
Über
diese praktischen Probleme in den Beitrittsverhandlungen hinaus, hat
Europaminister Bagis aber auch einmal mehr bewiesen, dass die Wertvorstellungen
der EU und der Türkei meilenweit auseinander liegen. Es kann nicht sein, dass
die türkische Regierung die Meinungs-und Pressefreiheit nur anerkennt, wenn
durch die Äußerungen von Journalisten niemand beleidigt wird. Wenn wir
Rücksicht auf solch subjektive Empfindungen nehmen müssen, landen wir
unweigerlich in einem "Heile-Welt"-Journalismus, der keine kritischen
Stimmen zulässt.
Ein
Land, das nicht bereit ist, fundamentale Grundrechte zu respektieren und alle
EU-Staaten uneingeschränkt anzuerkennen, hat in der EU nichts verloren.
Erweiterungskommissar Füle muss dies
unweigerlich klarstellen und der Türkei mit der Veröffentlichung des neuen
Fortschrittsberichts im November klare Konsequenzen aufzeigen," erklärt
Sommer abschließend.
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Sie sich bitte an mein Büro in Brüssel:
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