Debatte zu weit ab
vom Kern / Nachteil für junge Frauen
STRASSBURG. "Mit gemischten Gefühlen" sieht der
Sozialpolitische Sprecher der CSU im Europäischen Parlament, Martin Kastler,
die heute abgestimmte Novelle der EU-Mutterschutzrichtlinie: "Nicht alles,
was auf den ersten Blick gut aussieht, ist letztlich auch gut für werdende
Mütter und ihre Kinder", so Kastler. "Die Richtlinie war im Ende ein
Sammelbecken familienpolitischer Phantasien - weitab vom eigentlichen Anliegen:
In vielen Punkten wird sie dem Mutterschutz einen Bärendienst erweisen."
"Als
christlicher Sozialpolitiker bin ich klar für harmonisierte, anspruchsvolle
Mindeststandards beim Mutterschutz. Gerade bei dem Thema kann nur eines im
Mittelpunkt stehen: Der Mensch - die Mutter und das Kind."
Grundsätzlich habe
Kastler deswegen auch nichts gegen die beschlossene Erhöhung des Mutterschutzes
auf mindestens 20 Wochen bei voller Lohnfortzahlung. Allerdings hätte er
Mindeststandards auf dem internationalen Niveau der IAO (Intern.
Arbeitsorganisation) - also 18 Wochen - bevorzugt, "um
Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Zudem erschwert diese Position nun die
Diskussionen im Rat - und lähmt uns im schlimmsten Fall ganz auf dem Weg zum
besseren Mutterschutz." Enttäuscht ist Kastler über den Wegfall eines
verpflichtenden Mutterschutzes von mindestens zwei Wochen vor der Geburt.
"Was zunächst nach einem Vorteil für die werdenden Mütter aussieht, kann
zum Stolperstein des Gesundheitsschutzes werden. Damit entfällt der
verpflichtende Schutz in einer der sensibelsten Phasen der Schwangerschaft -
der Druck auf die Mütter, bis zuletzt am Arbeitsplatz zu bleiben, wächst. Im
schlimmsten Fall schadet das sogar Müttern und Kindern, statt sie zu
schützen."
Auch wenn Kastler
selbst von der zunehmenden Verlagerung der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe der
Familienförderung auf die Arbeitgeber wenig hält: "Mehrkosten kommen -
obwohl immer wieder auf 700 Millionen Euro beziffert - auf die Unternehmen nur
indirekt zu: Den Mutterschutz finanzieren die Arbeitgeber in Deutschland
wohlweislich über einen gemeinsamen Fonds. So verteilen sich die Lasten."
Zudem, so Kastler weiter, könnten in Deutschland, dank einer von der CDU/CSU
eingebrachten "Passerelle-Klausel" vier Wochen der Elternzeit
eingerechnet werden, so dass sich der Mutterschutz effektiv von 14 auf 16
Wochen erhöht.
Rein monetär
begründete Kritik aber lässt Kastler nur ungern gelten: "Wir reden immer
von der Krise - ich bekomm die Krise, wenn wir immer nur vom Geld reden.
Vielleicht hat gerade das in der aktuellen Diskussion so Manchen im Europäischen
Parlament zusätzlich zu diesem Stimmverhalten bewogen - und den Mutterschutz so
in seine eigene Krise getrieben. Dabei gab es ganz andere Aspekte, die den
Menschen betreffen." Viel schwerer etwa wiege die Entscheidung im Bereich
der Gleichberechtigung: "Hier können die 20 Wochen zum Problem für junge
Frauen auf dem Arbeitsmarkt werden - viele, gerade kleinere und mittlere
Unternehmen überlegen es sich künftig sicher dreifach, ob sie eine Frau
einstellen, die in einer Lebensphase ist, wo Kinder kommen könnten. Hier sehe
ich uns vor einer neuen sozialen Herausforderung."
Der finanzielle
Mehrwert für Familien in Deutschland, so Kastler, werde nach der Neufassung der
Richtlinie dagegen nahezu ein Nullsummenspiel: "Alle Mutterschutzwochen
nach der Geburt werden automatisch von der Elternzeit abgezogen. Die
Finanzierungsaufgabe verschiebt sich dann lediglich vom Staat auf Krankenkassen
und Arbeitgeber."
Entscheidend ist für
Kastler ein weiterer Effekt der "Passerelle-Klausel" - sie schließt
eine Kollision der neuen Regeln mit bestehenden Konzepten der Elternzeit in den
Nationalstaaten aus: "Wir wollen ja Mindeststandards - und keine
versteckten Höchstgrenzen, nur weil die Vorgaben der EU so starr sind, dass sie
bewährte nationale Konzepte wie etwa Elterngeld und Elterzeit in Deutschland
blockieren."
Vollkommen fehl am
Platz sind laut Kastler die von sozialistischer Seite erfolgreich eingebrachten
Vorschläge, Elemente wie "Vaterurlaub" in dieser Richtlinie zu
verankern. "Unabhängig davon, dass die Elternzeit von Vätern absolut
wünschenswert und sicherlich kein bloßer Urlaub ist, hat dieses Thema in einer
Richtlinie zum Schutz werdender Mütter am Arbeitsplatz nichts verloren. Es
gehört in eine eigene Richtlinie zur Elternzeit oder - noch besser - in die nationale
Hand."
Für
Kastler ist klar: "Europa braucht Kinder, um Zukunft zu haben. Die
Menschen müssen ermutigt werden, Ja zum Kind zu sagen. Familienfreundlichkeit
lässt sich nicht allein durch finanzielle Anreize erzielen - sie muss
elementarer Teil des "european way of life" sein - ein
gesellschaftlicher Konsens." Was die Mutterschutzrichtiline anbelangt, so
sagt Kastler, "müssen wir nun im weiteren Verfahren eine breite,
öffentliche Diskussion führen und den Menschen - die Mütter, die Kinder - dabei
neu ins Zentrum rücken. Ich gehe davon aus, dass dann bis zur endgültigen
Lesung noch einschneidende Nachbesserungen möglich sind.
Weitere
Informationen:
Büro Martin Kastler, MdEP, Tel: +32 2 28 45538