Renate Sommer (EVP/CDU): Türkei: Fehlverhalten ohne Folgen

13.10.2009

Brüssel, 13.10.2009 - Morgen stellt EU-Erweiterungskommissar Rehn den diesjährigen Bericht zu den Fortschritten des Kandidatenlandes Türkei vor. Seit Tagen bereits berichtet die türkische Presse über die Inhalte dieses Fortschrittsberichtes: Trotz deutlicher Kritik wegen andauernder Mängel bei Grund- und Bürgerrechten und der eklatanten Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit, droht die Europäische Kommission keine klaren Konsequenzen an.

"Der EU-Erweiterungskommissar drückt sich wie immer vor seiner Verantwortung, eine deutliche Handlungsempfehlung an den Ministerrat auszusprechen. Seine Begründung für diese Zurückhaltung: Drohungen könnten die Friedensverhandlungen auf Zypern gefährden. Das aber ist  absurd. Im Gegenteil! Nur wenn die Kommission den Ernst der Lage deutlich macht, wird sich Premierminister Erdogan in der Zypernfrage bewegen", so Dr. Renate Sommer, Türkeiexpertin der CDU/CSU-Gruppe im Europäischen Parlament.

"Ende dieses Jahres läuft - wieder einmal - die Frist für die Umsetzung des Ankara-Protokolls aus. Ursprünglich war dies eine nicht verhandelbare Voraussetzung für die Aufnahme der Beitrittsverhandlungen: Die Türkei hätte die Zollunion auch auf das EU-Mitglied Zypern anwenden müssen. Doch immer wieder knickte der EU-Ministerrat ein. Bis heute weigert sich die Türkei, und ihre See- und Flughäfen bleiben für Schiffe und Flugzeuge aus der Republik Zypern geschlossen. Ende 2006 hatte dies lediglich zum Einfrieren von sechs Verhandlungskapiteln geführt, die man sowieso nicht behandeln kann, solange die Türkei meint, die EU bestehe nur aus 26 Mitgliedstaaten.

Die Zypernfrage ist aber nur eines von vielen Problemen, die fast unlösbar erscheinen. Nach wie vor ist die Türkei meilenweit von den europäischen Grundwerten entfernt. Das Fehlen von Religionsfreiheit, die Situation der Frauen, die Verletzung von Gewerkschaftsrechten, der erneute Anstieg der Fälle von Folter, die mangelhafte Sanktion von Ehrendmorden und Zwangsehen sind nur einige Beispiele.

Große Sorge macht uns die fortschreitende Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit durch den immer selbstherrlicher agierenden Premier Erdogan. Jegliche Kritik lässt er mit drakonischen Strafen ahnden. Gerade versucht er sich in der Vernichtung der oppositionellen Presse über eine Rekordstrafe von umgerechnet fast vier Milliarden Euro für die Dogan-Mediengruppe wegen angeblicher Steuerhinterziehungen.

Zwar übt auch die Kommission deutliche Kritik an der Einschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit; jedoch werden keine Konsequenzen angedroht. Rehn will mit allen Mitteln verhindern, dass die Beitrittsverhandlungen unterbrochen oder gar eingestellt werden, denn damit würde er schließlich an seinem eigenen Ast sägen. Nach der baldigen Aufnahme Kroatiens in die EU bleiben die Verhandlungen mit der Türkei die einzige Legitimation für sein Amt. Die Türkei kann also weiterhin machen, was sie will. Und genau das wird sie tun", so Renate Sommer abschließend.

Für weitere Informationen:
Büro Dr. Renate Sommer, MdEP, Tel.: +32 - 2 - 2847383