Hypothek für die nächste Kommission
Als "Einladung zum Betrug" und "Blankoscheck zu Lasten des Steuerzahlers" bewertet das Mitglied im Haushaltskontrollausschuss des Europäischen Parlaments, Inge Gräßle (CDU), Teile der von der EU-Kommission vorgelegten Änderungen der Finanzvorschriften bei den Strukturfonds. Die Änderungen sind im geplanten Konjunkturpaket der Kommission enthalten und liegen dem Parlament vor. Demnach würde die maximale Vorfinanzierung von Beihilfen in den Strukturfonds von bislang höchstens 35 Prozent auf künftig bis zu 100 Prozent hochgeschraubt. "Das ist kein vorfinanzierender Zuschuss mehr, sondern ein Geschenk", kritisierte Inge Gräßle. Damit mache die Kommission den Missbrauch erst richtig interessant. Da die Mitgliedstaaten die Gelder für Unternehmensbeihilfen verwenden könnten, würden die Strukturfonds zu einem "Blankoscheck der europäischen Steuerzahler für Unternehmen in der Krise" umfunktioniert.
Bei Großprojekten, also Investitionen über 25 Mio. Euro im Umweltbereich oder 50 Mio. Euro etwa für Infrastrukturmaßnahmen, sei die Förderung aus EU-Mitteln nicht mehr an eine vorherige Genehmigung durch die Kommission gebunden. Damit sei ein europäischer Mehrwert dieser Projekte nicht mehr erforderlich. "Die Kommission bestärkt damit reine Mitnahmeeffekte. Das bringt die Strukturfonds in den nächsten Jahren noch massiver in die Kritik als bisher schon", so die CDU-Europaabgeordnete weiter. Formal behalte sich die Kommission zwar vor, die Finanzierung solcher Projekte trotz eines bereits erfolgten Baubeginns weiter ablehnen zu können. "Die Kommission wird hier aber zum Papiertiger, denn ihre Vorschläge sind doch nur dann sinnvoll, wenn die Mitgliedstaaten davon ausgehen können, dass die Kommission grundsätzlich jedem Projekt zustimmt, das diese bereits angefangen haben". Außerdem wisse jeder Mitgliedstaat, dass die Kommission im langjährigen Durchschnitt nicht einmal 15 Prozent der über die Strukturfonds unrechtmäßig ausgezahlten Gelder wieder eintreibt. Umso bedauerlicher sei es, dass die Kommission ihre internen Verfahren zur Projektprüfung nicht beschleunigt und Hindernisse, wie die europaweite Ausschreibung auch bei kleinen EU-Finanzierungsanteilen, beseitigt.
Bereits jetzt sei klar, dass die Kommissionsvorschläge den EU-Haushalt sowohl betrugsanfälliger als auch ordnungspolitisch noch kritisierbarer machten, anstatt die finanziellen Interessen der Europäischen Union besser zu schützen. "Die neue Kommission bekommt von ihrer Vorgängerin eine schwere Hypothek aufgeladen, denn sie wird dafür gerade stehen müssen, was jetzt an Risiken auf den Weg gebracht wird", sagte Inge Gräßle. Für 2007 bis 2013 stehen in den Strukturfonds 347 Mrd. Euro bereit, davon 250 Mrd. für die Ziele der Lissabon-Strategie. Die von der Kommission vorgeschlagenen Maßnahmen sollen rückwirkend ab August 2006 gelten.
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Büro Dr. Inge Gräßle, MdEP, Tel.: +32 - 2 - 2847868