
Zur Trilog-Einigung zum Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) erklärt Dr. Andreas Schwab (CDU), binnenmarktpolitischer Sprecher der EVP-Fraktion und Berichterstatter des Europäischen Parlaments für den Digital Markets Act:
„Diese Einigung leitet weltweit eine neue Ära der Tech-Regulierung ein. Das Gesetz über digitale Märkte macht Schluss mit der ständig steigenden Dominanz der Big Tech Unternehmen. Jetzt müssen die Digitalkonzerne zeigen, dass sie auch fairen Wettbewerb im Internet zulassen. Dies kann anhand der neuen Regeln einfacher durchgesetzt werden. Damit ist die Zeit der langen Wettbewerbsverfahren vorbei, bei denen die Behörden den Unternehmen nachgehinkt haben. Wir sorgen damit für mehr Wettbewerb, mehr Innovation und mehr Auswahl für Nutzerinnen und Nutzer.
Mit dem Gesetz über digitale Märkte (DMA) setzt Europa Standards, wie die Digitalökonomie der Zukunft funktionieren kann. Jetzt ist es an der europäischen Kommission, die neuen Regeln rasch umzusetzen.
Als Europäisches Parlament haben wir dafür gesorgt, dass der DMA sofort spürbar wird: Verbraucherinnen und Verbraucher bekommen die Wahl, zentrale Dienste der Big Tech Unternehmen wie Browser, Suchmaschinen oder Messaging zu nutzen, und das ohne Kontrolle über ihre Daten zu verlieren.
Kleinere Messengerdienste sollen in Zukunft bei Whatsapp, Facebook Messenger und Co andocken dürfen. Verbraucher könnten sich dann über verschiedene Dienste hinweg Nachrichten schreiben.
Das Gesetz vermeidet vor Allem jegliche Form von Überregulierung für kleine Unternehmen. App Entwickler werden ganz neue Möglichkeiten bekommen, kleine Unternehmen erhalten mehr Zugriff auf geschäftsrelevante Daten und der Online-Werbemarkt wird fairer.“
Hintergrund:
Die EU-Kommission hat im Dezember 2020 das Gesetz über digitale Märkte, den „Digital Markets Act“ (DMA), vorgeschlagen, der sich mit der Marktmacht der Internetriesen beschäftigt.
Nach zahllosen kartellrechtlichen Verfahren gegen Google & Co sollen neue Verfahrensregeln die im Grunde nach bestehenden Regeln des Wettbewerbsrechts effektiver machen. Dabei stellt die Kommission einen Verbotskatalog von Geschäftsgebaren auf, die in wettbewerbsrechtlichen Verfahren als erwiesenermaßen marktschädigend herausgestellt wurden. Die Verbote finden direkte Anwendung: in Zukunft müssen die sog. „Gatekeeper“ diese Verhaltensregeln umsetzen und die Kommission kann prüfen, ob die Regeln eingehalten wurden. So wird die Beweislast umgekehrt und lange Verfahren, währenddessen die Internetriesen Fakten in digitalen Märkten schaffen, vermieden.
Das Gesetz betrifft nur die größten Digitalunternehmen: sie müssen mindesten 75 Mrd Marktkapitalisierung oder 7,5 Mrd Euro Jahresumsatz aufweisen und zusätzlich mindestens einen „zentralen Plattformdienst“ bereitstellen, der monatlich 45 mio Verbraucher und jährlich 10.000 Geschäftskunden erreicht. Die Liste zentraler Plattformdienst umfasst 10 Dienste wie Messaging, Social Media, Suchmaschinen und Web Browsers. Damit wird erwartet, dass lediglich die 10 bis 15 größten Tech Unternehmen in ganz Europa in den Anwendungsbereich der neuen Digitalregeln kommen werden.
Die Einigung im Detail:
Am 24.03.2022 fand die letzte Verhandlungsrunde zwischen der französischen Ratspräsidentschaft und dem Europäischen Parlament zum Gesetz über digitale Märkte statt.
Die Verhandlungsparteien einigten sich auf folgende Punkte:
• Anhebung der Schwellenwerte für Jahresumsatz und Marktkapitalisierung auf 7,5 bzw. 75 Mrd. Euro.
• Zusätzlich zu den im Entwurf vorgesehenen Plattformdiensten werden Web Browser und virtuelle Assistenten im Anwendungsbereich sein (Art 2 und 3), "Connected TVs" wurden nicht in den Anwendungsbereich aufgenommen.
• Zur Durchsetzung der neuen Regeln wird die EU-Kommission stärkere Sanktionsmechanismen erhalten. Die Kommission kann in Zukunft Strafen bei ersten Verstößen von bis zu 10% des weltweiten Jahresumsatzes aussprechen, bei wiederholten Verstößen sogar bis zu 20 % (Art 25).
• Bei systematischen Verstößen (Art 16) sieht der Kompromiss vor, dass die Kommission Fusionen für einen gewissen Zeitraum gänzlich verbieten kann. Auch Entflechtungen (sog. strukturelle Maßnahmen) sollen einfacher gemacht werden. Die Tatbestände für systematische Verstöße wurden herabgesetzt, sodass die europäische Kommission stärkere Druckmittel gegen die „Gatekeeper hat“ - bei 3 Verstößen innerhalb von 8 Jahren kann die Kommission die oben genannten Mittel zumindest in Betracht ziehen.
• Bei den Kernpunkten, den Geboten und Verboten in Artikel 5 und 6, konnten sich Rat und Parlament ebenfalls einigen. Zukünftig wird den großen Digitalunternehmen die Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen nur mit ausdrücklicher Nutzereinwilligung möglich sein. Nutzer erhalten mehr Kontrolle darüber, wie sie von personalisierter Werbung im Internet erreicht werden wollen. Wenn Nutzer dem nicht zustimmen, müssen die Big Tech Unternehmen weiterhin alternative Nutzungsmöglichkeiten ihrer Dienste erlauben - das schafft echte Alternativen zwischen „mit allen Daten bezahlen“ oder keine Dienste nutzen zu können (Art 5a).
• Ein pauschales Verbot personalisierter Werbung oder ein komplettes Verbot personalisierter Werbung für Kinder und Jugendliche wurde im Digital Markets Act allerdings nicht beschlossen, wohl aber ein Verweis auf den Digital Services Act, der zur Zeit ebenfalls verhandelt wird.
• Neuland beschreitet das Gesetz bei der Interoperabilität für Messagingdienste. Die größten Messaging-Dienste wie Whatsapp, Facebook Messenger oder iMessage werden sich für die Kommunikation mit anderen Messaging-Plattformen öffnen müssen. In Zukunft können kleine Messenger auf Nachfrage „andocken“ und Nutzer beider Plattformen könnten sich dann Nachrichten schreiben oder Video-Anrufe machen.
• Für Gruppenchat-Interoperabilitätsverpflichtungen einigten sich die beide Parteien auf eine gestaffelte Einführung verschiedener Funktionen innerhalb von vier Jahren, um angemessene Sicherheitsstandards gewährleisten zu können. Eine Interoperabilitätsverpflichtung für soziale Netzwerke, wie es das Parlament in seinem Verhandlungsmandat forderte, wird es nicht geben. Allerdings wird diese Möglichkeit in der Zukunft überprüft werden.
• Das Parlament setzte sich weiterhin bei der Einführung von Auswahlbildschirmen bei der Erstnutzung von Browsern, virtuellen Assistenten sowie Suchmaschinen durch (Artikel 6.1b). Auch die De-Installation von Apps sowie die Möglichkeiten, Standardeinstellungen zu ändern, werden in Zukunft vereinfacht.
• Weiterhin einigten sich Rat und Parlament auf weiterreichende Interoperabilitätsverpflichtungen für „Wearables“ (Art 6.1f) sowie verstärkte Transparenzvorschriften für Online-Werbemärkte (Artikel 5g und 6(1)(g)).
• Bei den Verboten von Paritätsklauseln (Artikel 5b) setzt sich das Parlament mit seinem Verbot der enggefassten „Most Favourite Nation“-Clauses durch.
• Bei den „Governance Fragen“ setzte sich der Rat durch. Zwar konnte das Parlament die Einführung eines „Digitalen Beratergremiums“ bestehend aus europäischen Expertenkreisen einführen, allerdings musste es bei seiner Forderung nach einem Vetorecht für die Kommission gegen Urteile nationaler Gericht nachgeben.
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